Begegnungen mit dem Buddhismus

Buddhismus-Vortrag in Hohenberg am 20.10.2013

Meditation und Buddhismus finden immer mehr Anhänger in Europa und Amerika. An sich missionieren die Buddhisten nicht. Aber auch sie wollen nun mehr darüber wissen. Am heutigen Programm stehen daher folgende Punkte:
  • Geschichte des Buddha
  • Entstehung des Buddhismus
  • Meditationstechniken unterschiedlicher buddhistischer Zweige
  • Rezitation und Meditation
Dazu ist vorauszuschicken: Wir sind kein Verein, bloß Freunde.
  • Wir treffen einander jeden Donnerstag zum gemeinsamen Meditieren.
  • Wir sind von niemandem autorisiert und vertreten keine religiöse Gruppe.
  • Unsere Meditation folgt der Form des Zen-Buddhismus wie wir es verstehen.<
  • Wir haben keinen buddhistischen Grad eines Klosters oder Universität.
Nun zu mir: Wie komme ich dazu?
Mit 15 Jahren wunderte ich mich darüber, in dieser Welt zu sein und fragte mich, wozu das alles. Andere stellen sich diese Frage später, etwa in der „midlife crisis“ oder im Angesicht des Todes. Mit diesem existentiellen Grunderlebnis des „Geworfenseins in diese Welt“ beginnt der innere Weg, laut Mircea Eliade („Yoga“, Rascher-Verlag) der Weg des Yoga, in Europa auch als „Suche“ bekannt. Das wurde mir erst sehr spät klar, denn hierbei fand ich erst in Yoga und Buddhismus Unterstützung.
Im Alten Testament sagt ein Psalmist: „Oh Herr, gib mir das ewige Suchen!“ Das bedeutet meiner Meinung nach, sich nicht mit vorgegebenen Antworten anderer zufrieden zu geben, sondern selber eine Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen und eine Antwort darauf zu finden (Neues Testament: „… klopfet an, so wird euch aufgetan.“). Das wussten schon vorher die alten Griechen, denn auf dem Eingang zum Orakel von Delphi stand: „Erkenne dich selbst!“. Dem Abendland ist diese Sinnsuche also nicht unbekannt, sie hat bloß keinen Weg für diese Suche institutionalisiert. So entwickelte sich meiner Meinung nach die Richtung der Mystik in Judentum, Christentum und Islam als individuelles Finden eines Weges zu Einheit, Ganzheit und Lebenssinn. Die sog. „Visionssuche“ der amerikanischen Indianer z.B. ist strukturiert und wesentlicher Teil der Mannbarkeitsriten.

Buddha Shakyamuni

Ich muss hier etwas weiter ausholen:
Mit der Einwanderung der Arier begann im alten Indien die „vedische Zeit“ (1500-500 v.Chr.), die mit den Schriften der Veden und Upanishaden den Grundstein für die indischen Religionen des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus legten.
Die Arier errichteten das Kastenwesen mit vier Gesellschaftsschichten:
  • die Brahmanen als weise Priester an der Spitze
  • die „Kshatriya“ als Krieger bzw. Adelige
  • die „Vaishya“ als Kaufleute
  • die „Shudra“ als Handwerker, Pachtbauern, Tagelöhnen
Die Ureinwohner stehen als „Unberührbare“ außerhalb, desgleichen die Yogis.
Die Brahmanen bekamen immer mehr Macht und zum Schluss konnte nicht einmal mehr der Familienvater die Riten zur Fruchtbarkeit auf den Feldern vollziehen, sondern nur der Brahmane. Vor allem unter der Kriegerkaste kam es daher zur Entwicklung eigener weltanschaulicher Richtungen und in den Städten zu philosophischen Wettkämpfen. In diese geistig rege Zeit wurde Siddhartha Gautama geboren (6. oder 5. vorchristlichen Jh.).
Bei der Geburt dieses Prinzen (geb. 563 v.Chr. in Lumbini, Nepal; gest. 483 v.Chr. in Kushinagar, Indien; wikipedia) wurde geweissagt, dass er entweder ein großer König oder ein großer Weiser werden würde. Er soll der Legende nach in einem prachtvollen Palast aufgewachsen und von allen irdischen Problemen ferngehalten worden sein, denn sein Vater wollte als Nachfolger einen großen König und nicht einen großen Weisen. Laut der Literatur war aber sein Vater mit anderen Adeligen einem Herrscher in Indien tributpflichtig. Laut Dr. Seelawansa saß Siddhartha schon als Siebenjähriger meditierend unter einem Baum, während sein Vater ein Feld pflügte. Bei Ausgrabungen der vorarischen Industalkultur (2500-1700 v.Chr.) fand man Statuetten in der typischen Meditationshaltung sitzend. Die Meditation stammt also von den vorarischen Ureinwohnern, wahrscheinlich den heutigen Drawidas oder Tamilen.
Der Legende nach sah Prinz Siddhartha auf Kutschenfahrten in der Stadt erstmals einen Alten, dann einen Kranken und schließlich einen Toten. Bei einer vierten Ausfahrt sah er einen weisen Asketen. Das soll ihn zum Nachdenken gebracht haben, aber er war schon als Jugendlicher immer sehr nachdenklich. Wahrscheinlich war auch er schon damals ein „Sucher“. Mit 16 Jahren heiratete er und hatte einen Sohn namens Rahula. Mit 29 Jahren zog er in die „Hauslosigkeit“, um bei den Asketen zu lernen (wikipedia). Entgegen der Legende verließ er seine Familie nicht wie ein Dieb in der Nacht, sondern teilte seiner Familie seine Absicht mit.
Er verließ aber seine Lehrmeister wieder, weil deren Lehren ihn nicht zufrieden stellten. Von den sieben Bewusstseinsstufen des Lehrers Alara Kalama hielt er laut dem Indologen Hans Wolfgang Schumann („Der Buddha erklärt sein System“, Beyerlein & Steinschulte, S. 5) nur von den ersten vier etwas, weil man darin das Bewusstsein behält, während die tiefen Trancezustände ihm keinen Zugang zur Weisheit zu bieten schienen. Ihm schlossen sich fünf andere Suchende an und sie verstärkten die Askese. Als er halb verhungert an einem Fluss saß, trieb ein Schiff vorbei. Auf diesem erklärte ein Musiker einem Jungen, dass die Saiten des Instruments weder zu straff, noch zu schlaff gespannt sein sollen, um den richtigen Ton wiederzugeben. Daraus schloss Siddhartha, dass auch im Leben selbst weder Reichtum noch Askese ein Weg zur Weisheit seien, sondern ein „mittlerer Weg“. Daraufhin stärkte er sich mit Milch und Honig, worauf die anderen Sucher ihn verließen, weil er, unerwacht, der Askese entsagt hatte.
Siddhartha begann nun mit eigenständigen, systematischen Überlegungen ohne Tabu. Er setzte sich, mittlerweile 35 Jahre, nochmals in Meditation, u.zw. unter einen Feigenbaum in Bodhgaya mit dem Willen, nicht eher damit aufzuhören, als bis er die Erleuchtung erlangt habe. Der Legende nach trat dieses Ereignis in einer Vollmondnacht im Mai beim Aufgang des Morgensterns ein. Seither wird von den Buddhisten an diesem Tag die Vesakh-Feier abgehalten. So wurde der Prinz aus der Dynastie der „Shakya“ zum „Buddha“, d.h. „der Erwachte“, zum „Shakyamuni“, dem „Weisen aus dem Geschlecht der Shakya“.
In seiner ersten Lehrrede im Wildpark in Sarnath bei Varanasi verkündete er seinen Asketenfreunden die sog. „Vier Edlen Wahrheiten“. Ihre Reihenfolge entspricht laut Dr. Seelawansa der Vorgehensweise eines Arztes, denn Siddhartha sei dem Leibarzt seines Vaters freundschaftlich verbunden gewesen. Sie bilden die Grundlage der buddhistischen Lehre und lauten (wikipedia):
  • Das Leben im Daseinskreislauf ist letztlich leidvoll (= Anamnese?)
  • Die Ursachen des Leidens sind Gier, Hass und Verblendung (= Genese?)
  • Erlöschen die Ursachen, erlischt das Leiden (= Diagnose?)
  • Zum Erlöschen des Leidens führt der Edle Achtfache Pfad (= Therapie)
Laut Dr. Schumann verkündete er seine eigentliche Erkenntnis seinen Asketenfreunden erst in seiner zweiten Rede, die bloß Kondanna sofort verstand:
„Die empirische Person, so führt der Buddha in seiner „Lehrrede von den Kennzeichen der Nicht-Seele“ (anatta) vor den fünf Bhikkus aus, besteht aus fünf Komponenten (Khandha): Körper (rupa), Empfindung (vedana), Wahrnehmung (sanna), Willensregungen (sankhara) und Bewußtsein (vinnana). Keine von ihnen ist eine Seele, weil man von einer Seele Freiheit von Krankheit, zudem Beständigkeit und Leidfreiheit erwarten muss: Nicht eine dieser Forderungen ist bei den fünf Persönlichkeitskomponenten erfüllt“ (Schumann, a.a.O., S. 12).
„Obwohl in den fünf Persönlichkeitskomponenten keine dauerhafte Seele enthalten ist, bilden sie, wenn kombiniert, die Erfahrungseinheit, die ein Gefühlsleben und ein Ichbewusstsein entwickelt und die jeder als sein „Ich“ oder „Selbst‘ bezeichnet. Es bedarf einigen Nachdenkens, dieses Ich oder Selbst als leeren Begriff zu durchschauen“ (Schumann, a.a.O., S. 15). Der indische Philosoph Nagarjuna soll die „Anatta-Lehre“ laut dem österreichischen Indologen Dr. Volker Zotz („Geschichte der buddhistischen Philosophie“, Rowohlt) als die eigentliche, bahnbrechende Einsicht Siddharthas angesehen haben.
Laut Dr. Schumann und Dr. Seelawansa ist die Wiedergeburtslehre in buddhistischer Sicht folgendermaßen zu verstehen: der letzte Bewusstseinsimpuls eines Sterbenden setzt sich in einem neuen Leben fort. Eben weil keine ewige Seele existiert, ist Erlösung möglich. Die Wiedergeburt ohne Seele beruht auf dem „bedingten Entstehen“: Die Wesen sind keine reinkarnierten Seelen, sondern Produkte von Kausalursachen oder Bedingungen. (Schumann, S. 47).
Unser abendländisches Weltbild spricht zum einem von der Dreiheit von „Körper, Geist und Seele“, zum anderen vom „Leib-Seele-Problem“ (Bernd Waß, Ontos-Verlag), aber auch von einer „Einheit von Leib und Seele“. Evolution und Ökologie bestätigen die gegenseitige Abhängigkeit aller Formen und die „Phänomenologie“ Edmund Husserls die Sicht auf die Dinge und den Menschen als zusammengesetzte Ereignisse – ähnlich einer stehenden Welle in der Physik würde ich sagen. Die Neurologie bestätigt den Zusammenhang körperlichen und geistigen Geschehens, d.h. beides ist miteinander verbunden und nicht getrennt.
Aber all dies soll man meiner Meinung nach nicht „materialistisch“ sehen, denn laut dem Salzburger Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Dürr, einem Träger des alternativen Nobelpreises, ist die moderne Physik mangels Nachweisbarkeit vom Begriff der Materie längst abgerückt.
Im Abendland wird die „dreifache Zuflucht“ als buddhistisches „Glaubensbekenntnis“ dem katholischen Glaubensbekenntnis gleichgestellt. Es lautet: „Ich nehme meine Zuflucht zu Buddha. Ich nehme meine Zuflucht zum Dharma, d.h. der Lehre Buddhas. Ich nehme meine Zuflucht zur Sangha, d.h. der Gemeinschaft der buddhistischen Asketen.“ Im tibetischen Buddhismus wird dies durch eine vierte Zufluchtsformel ergänzt. „Ich nehme meine Zuflucht zum Lehrer“. Im Zen-Buddhismus gilt die Unterweisung durch den Roshi aber nur als Finger-zeig auf den Mond, nicht als der Mond, d.h. die Erkenntnis, selbst. Ich persönlich halte es mit Buddha Shakyamuni: „Sei deine eigene Zuflucht!“ Guru Ananda im Wien der 1970-er Jahre sagte: „Wenn ich esse, wirst du nicht satt!“ Am deutschen Sprichwort „Selbst ist der Mann“ führt somit auch als Frau kein Weg vorbei, wenn man Selbsterkenntnis und Einsicht als wahres „Wissen“ anstrebt.
Nach 45 Jahre Unterweisungen starb Buddha 80-jährig in Kushinagara. Auf seinem Sterbebett fragte er seine Schüler, ob sie alles verstanden hätten und betonte, dass er nichts in seiner Faust verborgen gehalten habe. Somit gibt es keine Geheimlehre! Dennoch entwickelten sich in den 2500 Jahren seither sehr unterschiedliche Richtungen. Das hängt damit zusammen, dass er ganz auf die eigene Erfahrung seiner Schüler setzte und keine Schriften verfasste. Typisch ist seine Rede an die Kalamer, die sich bei ihm wegen widersprechender Lehren durchreisender Weiser beklagten. Siddhartha meinte, nicht nach Hörensagen, Autorität von Meistern, rein logischen Schlüssen usw. zu gehen, sondern nach der eigenen Erkenntnis, was heilsam, untadelig usw. sei (Anguttara Nikáya).
So entstanden die drei großen Hauptströmungen des Buddhismus: Theravada, Mahayana und Vajrayana. Sie nahmen Elemente lokaler Religionen auf und dämonisierten diese nicht:
  • der tibetische Buddhismus hat vieles von der Bön-Religion übernommen, rechnet sich aber dem Mahayana zu
  • der Zen-Buddhismus entstand in China durch Übernahme taoistischen Gedankengutes
  • es gibt auch sektiererische Bewegungen (buddhistische-sekten.de) und Machtspiele
Vier Monate nach dem Tod des Buddha Shakyamuni berief Mahakashyapa ein Konzil nach Rajagriha ein, wo Buddha zahlreiche Reden gehalten hatte. 500 Mönche kamen und fassten die Lehre zusammen (wikipedia). Der Schüler Ananda hatte das beste Gedächtnis und so beginnen die Sutras mit den Worten: „So habe ich es gehört:“ Die Mönchsregeln gehen auf den Schüler Upali zurück, den Barbier des Shakya-Fürsten, auf den wohl auch die Kahlrasur zurückgeht. Buddhas Lehre wurde zunächst nur mündlich weitergegeben. Die Rezitationen bei den Zusammenkünften erinnern heute noch an diese Art der Weitergabe.
Wegen Regelverstöße kam es 50-100 Jahre später zum zweiten Konzil, die Verurteilten riefen ein Gegenkonzil ein mit dem Inhalt, man müsse die Mönchsregeln zeitgemäß auslegen – damit war die Sangha, die Gemeinschaft der Mönche, gespalten und der Grundstein für den späteren „Mahayana-Buddhismus“ gelegt, dem „Großen Fahrzeug“ an das andere Ufer. Nicht nur Asketen sollen Buddhas Lehre folgen können, auch Verheiratete.
Am dritten Konzil 253 v.Chr. in Pataliputra kam es zum endgültigen Bruch und in der Folge zu weiteren Spaltungen der beiden Richtungen. Kaiser Ashoka (304-232 v. Chr., Dynastie der Maurya), der nach blutigen Schlachten zum Nachdenken gekommen und Buddhist geworden war, förderte die neue Lehre nach Kräften und berief ein weiteres drittes Konzil 244 v.Chr. ein, um Buddhas Lehre endlich unmissverständlich festzulegen. Die Lehre wurde schriftlich fixiert und damit die Basis für den Theravada gelegt.
Die in Pali verfasste Textsammlung ist als „Dreikorb“ („Tipitaka“) bekannt, weil sie aus den „Sutren“, den Buddha zugeschriebenen Lehrreden, dem „Vinaya“, den buddhistischen Mönchs- und Nonnenregeln, sowie dem später zugefügten „Abhidhamma“ besteht, einer psychologischen und philosophischen Begründung und Ausformulierung der buddhistischen Lehre (wikipedia).
Die darauf aufbauende „Lehre der Alten“, der „Theravada-Buddhismus“, wurde später als „Hinayana“, „Kleines Fahrzeug“, abgetan. Er konzentriert sich auf das „Erwachen“ des Einzelnen zum „Arhat“. Arhat ist ein religiöser Titel für einen vollendeten buddhistischen Heiligen, der die 10 Fesseln abgelegt hat, das sind: Persönlichkeitsglaube, Zweifel, Hängen an Regeln und Riten, Begehren der Sinne, Übelwollen, Begehren nach feinkörperlicher Existenz, Begehren nach unkörperlicher Existenz, Dünkel, Aufgeregtheit und Unwissenheit. Er wird durch das Erreichen des Nirwana nicht mehr wiedergeboren (wikipedia).
Demgegenüber steht im „Mahayana-Buddhismus“ das Ideal des „Bodhisattva“, was „Erleuchtungswesen“ bedeutet. Das sind nach höchster Erkenntnis strebende Wesen, die durch „Tugendvollkommenheit“ („paramita“) die „Buddhaschaft“ anstreben, um sie zum Heil aller Lebewesen einzusetzen. Die Ausgangsmotivation wird „Erleuchtungsgeist“ („bodhicitta“) genannt. Kern der Bodhisattva-Philosophie ist der Gedanke, nicht nur für sich allein Erleuchtung zu erlangen und damit in das Nirwana einzugehen, sondern schon vorher allen anderen Wesen zu helfen, sich ebenfalls aus dem endlosen Kreislauf der Reinkarnationen (Samsara) zu befreien (wikipedia).

Die sechs Tugenden des „Bodhisattva“ werden „Paramita“ genannt, das bedeutet, „das, was das andere Ufer erreicht“ (Oliver Bottini, Das große O. W. Barth-Buch des Buddhismus, O. W. Barth, S. 125):

  • Gebefreudigkeit – Dana
  • Sittlichkeit – Shila
  • Geduld – Kshanti
  • Energie – Virya
  • Meditation – Dhyana
  • Weisheit – Prajna

Die buddhistische Ethik beruht auf den „Vier Erhabenen Zuständen“ (Brahma-Vihara) (Bottini, a.a.O., S. 97 f):

  • Güte – Metta, d.h. weder Sympathie noch Antipathie empfinden (Empathie)
  • Mitgefühl – Karuna, d.h. Erbarmen mit den Leidenden haben
  • Freude – Mudita, d.h. sich zu freuen, wenn andere vom Leiden erlöst werden
  • Gleichmut – Upeksha, d.h. nicht mehr zu unterscheiden und zu bewerten

Von den 10 Geboten (Shila) der Mönche müssen die Laien folgende fünf halten (Bottini, a.a.O., S. 98):

  • nicht verletzen
  • nicht stehlen
  • niemanden missbrauchen
  • nicht lügen
  • keine berauschenden Mittel zu sich nehmen

Die von Buddha genannten vier Versenkungsstufen sind (Bottini, a.a.O., S. 94):

  • die Loslösung von Begierden und unheilsamen Wirken durch Nachdenken
  • die Gedanken beruhigen durch Konzentration auf ein Meditationsobjekt
  • Gleichmut entsteht durch Wachsamkeit und Bewusstheit
  • Gleichmut und Wachsamkeit sind beständige Zustände.

Zur Überwindung des Leides führt der „Edle Achtfache Pfad“, der sich in drei Bereiche zusammenfassen lässt (Bottini, a.a.O., S. 92):

  • Weisheit: rechte Anschauung, rechtes Denken
  • Sittlichkeit: rechte Rede, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben
  • Meditation: rechte Achtsamkeit, rechte Sammlung

Meditationen

Die Meditationen im Yoga von Guru Ananda in den 1970-er Jahren waren meist „geführte Meditationen“ (https://www.mahayoga.eu/Ananda_Biographie.htm). Man sollte die Augen schließen und Guru Ananda sprach einen Text oder wir sollten uns etwas vorstellen, etwa aus einem Wald heraustreten und auf einer Wiese den Berg hinauf steigen und oben in die Kapelle eintreten und beten.
Im Zen des Berliner Roshi Sotetsu Yuzen (https://www.mumon-kai.de/de/) gab es keine Anweisung, man sollte bloß still sitzen und sich von Gedanken und Emotionen nicht entführen lassen. Die Augen sollten halb offen sein und man ohne umherschweifen auf den Boden vor sich hinsehen und das Bewusstsein im Hier und Jetzt aufrecht halten. So ist es auch in der Daishin-Zendo in Wien (https://www.daishinzen.at/).
Laut Anagarika Govinda („Der Weg der weißen Wolken“, Aquamarin) gibt es im tibetischen Buddhismus eine Meditation, gemäß der man sich einen Bodhisattva vorstellen soll und diese Visualisation solle schließlich so stark sein, dass man den Bodhisattva wirklich sieht wie andere Dinge in der Welt. Wenn der Schüler erkennt, dass dies ja seine eigenen Kräfte sind, wird er aufgefordert, die Visualisation rückgängig zu machen, was sehr schwer ist, denn das Unterbewusstsein hat seine eigene Dynamik. Wer das schafft, hat natürlich nachher seine inneren Kräfte unter Kontrolle.
In der Transzendentalen Meditation wird einem ein geheim zu haltendes Mantra gegeben, das man stets wiederholen soll.
Bei der Anapanasati-Meditation konzentriert man sich auf den Atem. Im Yoga sollte der Atem geräuschlos erfolgen. Man sollte dem Atem lauschend folgen. Ging das nicht, etwa weil man gedanklich zu sehr abschweifte, sollte man die Atemzüge zählen, entweder nur das Einatmen oder Ein- und Ausatmung und wenn man bei 10 angelangt war, dann wieder mit Eins beginnen.
Vipassana ist eine Achtsamkeitsübung und bedeutet soviel wie "die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind" (wikipedia). Vipassana ist ein Weg der Selbstveränderung durch Selbstbeobachtung. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der engen Wechselbeziehung zwischen Körper und Geist, die durch trainierte, auf die körperlichen Empfindungen gerichtete Achtsamkeit auf direktem Wege erfahren werden kann. Diese Empfindungen bestimmen das Leben des Körpers, beeinflussen einander im ständigen Wechselspiel und konditionieren den Geist. Die auf eigene Beobachtung gründende, selbsterforschende Reise zu dem gemeinsamen Ursprung von Geist und Körper löst die geistigen Unreinheiten auf und führt zu einem ausgeglichenen Geist voller Liebe und Mitgefühl.
Es gibt noch viele andere Arten der Meditation, aber die Methode des Zen sagt mir am meisten zu. Schließlich unterscheiden die Veden nur zwischen dem Geformten und dem Ungeformten, Buddha Shakyamuni sprach vom Geborenen und vom Ungeborenen und wenn es diese nicht gäbe, wäre ein Erwachen nicht möglich (Schumann, S. 82; Udana 8,3; Itivuttaka 43). Im Dzogchen der Tibeter und Mongolen soll man konzeptfrei meditieren, für mich heißt das also, ohne Erwartungshaltung zu meditieren, neudeutsch „ergebnisoffen“.
Für mich ist das Loslassen im Buddhismus ein Weg, die Bindung an die Formen sukzessive aufzugeben und sich so dem Formlosen zu nähern. Dieses ist für mich auch das von Buddha erwähnte Ungeborene, der Urgrund, aus dem alles kommt und in den alles mündet. In der Meditation soll man sich dem noch mehr öffnen, ja sich selbst loslassen. Eine englische Sufimystikerin sagte: „Man wirft sein Herz in eine Ecke!“
Für mich ist der quellende Urgrund, das Ungeborene und Formlose eine Art stille Hintergrundenergie, die wir nicht benennen können, weil sich in ihm alles auflöst wie in einem schwarzen Loch. Ramana Maharshi vom Berge Arunachala hatte er ein entsprechendes Erlebnis (Wikipedia):
Während einer elementaren Todesangst habe er sich mit der Frage beschäftigt, was im Tod stirbt. Er sei zu der Antwort gekommen, dass zwar der Körper sterben möge, jedoch nicht der Geist bzw. das Bewusstsein. Später sagte er zu dem Erlebnis: „Das Selbst war etwas sehr Reales, das einzige Reale in meinem derzeitigen Zustand, und die gesamte bewusste Aktivität meines Körpers konzentrierte sich auf dieses Selbst. Seither ist die faszinierende Kraft dieses Selbst im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit geblieben [...]. Das Aufgesaugt-Sein in das Selbst dauert seitdem ohne Unterbrechung an. Andere Gedanken erscheinen und verschwinden wieder, ähnlich wie die Noten eines Musikstücks, aber das Selbst ist wie ein Grundton unter den anderen Noten stets vorhanden und mischt sich mit diesen.“
Auch wenn ich nicht erwache, so liegt mir die stoische Ethik des Buddhismus doch noch am nächsten.
Der Buddhismus kam schon im Altertum ins Abendland:
Alexander der Große (356-323 v.Chr.) breitete die Grenzen Griechenlands bis nach Indien aus. Es kam zur Interaktion zwischen Hellenismus und Buddhismus. So entstand der Graeco-Buddhismus (wikipedia) auf dem Gebiet des heutigen Afghanistan und Pakistan. Die griechische Philosophie beeinflusste dabei die Entwicklung des Mahayana-Buddhismus, der sich ab dem 5. Jh. nach China, Korea und Japan verbreitete.
Der fast 100 Jahre später regierende Kaiser Ashoka sandte buddhistische Missionare nicht nur mit buddhistischen Schriften, sondern auch mit medizinischen Kenntnissen und Saatgut in alle Himmelsrichtungen. Ashoka brachte sogar eine griechische Übersetzung des buddhistischen Kanons in Umlauf, indem er Lehrer zu den griechischen Inseln sandte. Zentrum für die gegenseitige Beeinflussung von griechischer Philosophie und Buddhismus war Alexandria in Ägypten (Philosophie der Alexandrinischen Schule). Dort gab es bis ins 3. nachchristliche Jh. eine buddhistische „Vihara“. Die Vihāra war ursprünglich ein Zufluchtsort für die Wandermönche während der Regenzeit und entwickelte sich später zum buddhistischen Klostergebäude.
In zeitlichem Zusammenhang ist hier das von Zenon von Kition (333-261 v.Chr.) um 300 v.Chr. gegründete philosophische Lehrgebäude der Stoa zu erwähnen. Für den Stoiker gilt es, seinen Platz in dieser Ordnung zu erkennen und auszufüllen, indem er durch die Einübung emotionaler Selbstbeherrschung sein Los akzeptiert und mit Gelassenheit und Seelenruhe zur Weisheit strebt. Für mich spricht daraus eine buddhistische Grundlage.
Die Fusion griechischer und buddhistischer Kultur zeigen die vielen Statuen der graeco-buddhistischen Kunst aus Zentren wie Gandhara. Erst seit dem griechischen Einfluss gibt es Statuen Buddhas, vorher wurde nur sein Fußabdruck dargestellt. Mit der Entstehung des Mahayana im 1. nachchristlichen Jh. kam es im Zusammenhang mit der Idee der Leerheit, „Shunyata“, auch zur mathematischen Erfindung der „Null“. Im 5. Jh. endete diese fruchtbare Epoche mit der Invasion der Weißen Hunnen und hierauf mit der islamischen Eroberung.
Ich möchte mit den Worten Goethes aus dem Faust schließen: „Wer ewig strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“