Wir beschäftigen uns hier mit dem Weg der Selbsterfahrung bis hin zur Erleuchtung auf buddhistischer Grundlage.
Wenn man sich eines Tages fragt, was das eigene Leben hier in dieser Welt soll und was man selber tun soll, dann hat einen das existentielle Grunderlebnis erfasst, dessen sinngebende Antwort nicht mehr im reinen Lebensvollzug liegt. Man hat dann das bequeme Paradies der Selbstverständlichkeiten wie Wohlergehen, Freundschaft, Familie und Karriere verlassen, sie geben keine erschöpfende Antwort mehr, man ist “nackt“ wie Adam und Eva. Die Sinnsuche geht nun über das individuelle Überleben hinaus. Eine systemische Betrachtung führt zu gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, zu Weltanschauung, Religion und Politik. Doch in diesen Bereichen muss man sich Regeln unterwerfen und vorgegebene Antworten mittragen. Forschung und Unternehmertum bieten weitere Möglichkeiten zur „Selbstverwirklichung“ – doch was bedeutet eigentlich dieser Begriff? Gibt er Antworten auf „die letzten Fragen“, auf Geburt und Tod, Liebe und Leben, Gewinn und Verlust, kurz: nach Lebenssinn? „Sein oder Nichtsein, das ist die Frage“, sinniert Hamlet.
Auf alle möglichen Fragen und Probleme werden Antworten „außen“ gesucht, bei Eltern und Lehrern, bei Priestern und Gurus, in Büchern und im Erforschen der Welt. Die „Gretchenfrage“ (Faust I: Gretchen fragt Faust, wie er es mit der Religion halte) können einem andere nicht beantworten. Die Möglichkeiten eigener Antworten werden hier nicht ausgelotet, „das eigene Innere“ bleibt eine ungenutzte Ressource auf diese existentielle Frage. So werden Gefühls- und Gedankenwelt und damit der eigene Geist nicht entwickelt. Traditionen, Bücher und spirituelle Führungspersönlichkeiten sind nur Fingerzeige auf diesem Weg, den man selber gehen muss. „Wenn ich esse, wirst du nicht satt“, sagte Guru Ananda in den 1970-er Jahren in Wien. „Seid eure eigene Zuflucht“ und „seid eure eigene Leuchte“, sagte Buddha. „Gehe den Weg, welcher auch immer es ist – aber es muss ein Weg mit Herz sein“ sagt Don Juan Matus zu seinem Schüler Castaneda. „Es genügt das Wissen vom Weg“ sagte ein großer Lama den Leuten, als sie nach dem Sieg der Kommunisten in China um die Weitergabe der Leuchte fürchteten.
Deshalb haben wir uns hier als spirituelle Freunde zusammengefunden, als „Wüstenväter“ des 21. Jh. Wir haben keine Riten und Roben, keine Bettelschale und keine fixen Vorstellungen, denn wir streben nach eigenen Erfahrungen, nach authentischer Spiritualität. Wir leben in der spirituellen Wüste des Materialismus und ersteigen den Berg der Bemühung. Wir sind von niemandem autorisiert und wir haben kein Missionierungsbestreben, denn wir wissen, dass wir nichts wissen, weil jegliches Wissen falsifizierbar ist. Wir sind somit offen, haben keine bestimmte Vorgabe von einem Ziel, wollen bloß den Weg zur Selbsterkenntnis wirklich und selber gehen, dieser Weg ist unser Ziel („Erkenne dich selbst“ stand auf dem Zugang zum Orakel von Delhi).
Die Richtung gab Imanuel Kant vor mit der Frage: „Was kann ich wissen?“, genauer Ramana Maharishi im Hinblick auf die Selbstreflektion: „Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ So bemühen wir uns um „das ewige Suchen“ im Sinne der Bibel und der Lehre Bodhidharmas: „Sei wach! Las los! Geh weiter!“ Wir lassen uns nicht von Mara verführen, erliegen nicht der Maya aus Formen und Ideen, erkennen sie als letztlich der menschlichen Vorstellungswelt entsprungen (Nur-Geist-Lehre), als „makyo“. Wir sind aufmerksam („satipatthana“). War in der Antike die Philosophie noch mit einem praktischen Lebensvollzug verbunden und sind Wege wie Yoga, Zen und Sufismus dies auch heute, so ist sie im anglikanischen Raum auf Logik und rationales Kalkül reduziert worden. Wir versuchen den abendländischen Philosophiedisziplinen von Logik, Erkenntnistheorie, Metaphysik und Ethik wieder eine Erfahrungskomponente hinzuzufügen. Durch meditative Selbsterfahrung geht sie über die nüchterne Stoa hinaus. Wir nennen unseren Weg „Jnanayana“, weil wir ihn um Forschungsergebnisse aus Physik, Psychologie und Neurologie ergänzen möchten. Wir wollen eben in Bewegung bleiben, wir wollen „erwachend leben“. Wir flüchten nicht aus der Welt, sondern wollen seine Last ein Stückchen weitertragen, an der Evolution mitwirken.
Im Buddhismus wie wir ihn hier verstehen ist das individuelle Sein phänomenologisch zu sehen. Als Teil eines Ganzen ist die Form selbst „leer“, d.h. leer von einem „Eigensein“, d.h. ohne „ewige individuelle“ Seele. Das „Nirvana“ ist kein „nichts“, kein „Vakuum“, sondern „Nichtzweiheit“ („ni“ = nicht, „dva“ = zwei), denn es ist das Erfahren der Einheit aller Erscheinungen einerseits und dieser mit dem namenlosen, quellenden Urgrund andererseits (Laotse, Tao Te King: „Wer es weiß, sagt es nicht, wer es sagt, weiß es nicht“; daher: weil das Kamel den hundertsten Namen Allahs kennt, teilt es ihn uns nicht mit). Durch Handeln und Unterlassen können wir an diesem steten Prozess des Werdens und Vergehens schöpferisch mitarbeiten („Arbeit im Weingarten des Herrn“) oder quertreiben (aber selbst „Lucifer“ trägt dabei nur Licht in das Geschehen: Sisyphos schiebt seinen Felsen an immer einer anderen Stelle den Berg hinauf: Wir schreiten von Irrtum zu Irrtum fort, wenn wir an den Formen und „Antworten“ hängen).
Einen Ausweg bildet das „Tun des Nichttuns“ („wu-wei“), es ist ein Tun ohne egoistische Anteile, eine unmittelbare Teilhabe am Sein als schöpferischen Prozess des Wechsels zwischen Form und Formlosigkeit („rupa“ und „arupa“) und ohne Hängen am Ergebnis („oh Augenblick, verweile doch, du bist so schön“ ist eine kindlich-naive Einstellung). Dieses stete Weiterschreiten führt das Bewusstsein schließlich zu einer „Teilhabe am Licht“ (Hl. Augustinus), denn „erhellende“ (sic!) Augenblicke im Leben („Aha“-Erlebnis, „samadhi“, „satori“) werden als Lichterlebnisse erfahren. Beruhigend ist auf diesem langen Weg die Erfahrung Buddhas: „Gäbe es nicht das Ungeborene, gäbe es kein Erwachen!“
Wir erweitern die buddhistische Floskel „möge die Übung gelingen“ zu „möge das Leben gelingen“. Rilke schreibt: „… doch manchmal bricht der große Herzschlag heimlich in uns ein, sodass wir schreien – und sind dann Wesen, Wandlung und Gesicht.“