Das Metta Sutta
Hymne über die allumfassende Liebe
Acharya Buddharakkhita
Wer nach Weisheit strebt,
das Gute wünscht und den Frieden sucht,
der sei kraftvoll und aufrecht,
sanft und bescheiden,
zufrieden und bedürfnislos.
Er lasse sich von weltlichen Dingen nicht überwältigen,
belaste sich nicht mit der Bürde des Reichtums,
er sei Herr seiner Sinne,
klug und ohne Stolz
und hänge sich nicht an die Sippe.
Er tue nichts Niedriges,
was die Weisen tadeln könnten.
Mögen alle Wesen glücklich,
froh und sicher sein,
alles was lebt,
ob schwach oder stark, lang, groß,
kurz oder klein, sichtbar oder unsichtbar, nahebei oder entfernt,
geboren oder im Entstehen begriffen,
mögen alle Wesen glücklich sein!
Niemand täusche einen anderen,
noch verachte er irgendein Wesen,
so gering es auch sein mag.
Möge niemand im Hass oder Zorn
einem andern Übles wünschen!
Wie eine Mutter mit Gefahr ihres eigenen Lebens
ihr einziges Kind überwacht und schützt,
so umfange man liebend mit
einem grenzenlosen Geist alles Lebendige,
so umfasse man liebend mit
wohlwollender, unbegrenzter Güte die ganze Welt.
Ob man geht oder steht, sitzt oder liegt,
sobald man erwacht ist,
übe man achtsam diesen Gedanken und
verwirkliche so, auf die höchste Weise zu leben.
Wer das Unwissen aufgegeben hat und
die tiefe, von sinnlichem Begehren freie,
auf Tugend gegründete nnenschau gewonnen hat,
der ist vollkommen,
für den wird es keine Wiedergeburt mehr geben.
usw.
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Der Hintergrund zum Metta Sutta
(Hymne über die allumfassende Liebe)
Der geschichtliche Hintergrund für die Absicht des Buddha, die Karaniyametta Sutta darzulegen, ist in einem von Acariya Buddhaghosa verfassten Kommentar erklärt, welcher es aus einer geschlossenen Linie von Vorfahren bis zu der Zeit des Buddha selbst erfahren hatte.
Es wird erzählt, dass fünfhundert Mönche Anweisungen von Buddha in besonderen, zu ihren individuellen Temperamenten passenden Meditationstechniken erhielten. So wanderten sie zum Fuße des Himalaya um dort vier Monate lang, während der Regenzeit, in Abgeschiedenheit und intensiver Meditation zu verbringen. In jenen Tagen, ein oder zwei Monate vor Beginn der Regenzeit, versammelten sich Mönche aus allen Teilen des Landes, in dem sich der Buddha aufhielt, um direkte Anweisung vom höchsten Meister zu erhalten. Dann gingen sie zurück zu ihren Klöstern, Waldbehausungen oder Einsiedeleien, um energische Versuche zur geistigen Befreiung zu machen. So kam es, dass fünfhundert Mönche zu Buddha kamen, welcher sich bei Savatthi in einem Wäldchen namens Jeta in einem von Anathapindika gebauten Kloster aufhielt. Nachdem sie ihre Anweisungen erhalten hatten, gingen sie auf die Suche nach einem passenden Ort, und auf ihrer Wanderung fanden sie eine schöne Anhöhe am Fuße des Himalaya. Diese erschien, dem Kommentar glaubend, wie ein glitzernd blauer Quarzkristall, der mit einem kühlen, dichten, grünen Wald und einer vom Sand gestreuten Fläche bedeckt war, ähnlich eines Perlennetzes oder einer Silberplatte, und war zudem mit einer reinen Quelle frischen Wassers ausgestattet. Die Mönche waren vom Anblick gefangen. In der Nähe gab es wenige Dörfer und einen kleinen für einen Almosengang geeigneten Marktplatz. Die Mönche verbrachten eine Nacht in diesem idyllischen Hain und gingen am nächsten Morgen zum Marktplatz zum Almosengang.
Die Einheimischen waren überglücklich, Mönche zu sehen, da sich selten eine Mönchsgemeinde in diesem Teil des Himalaya zum Meditieren niederließ.
Die frommen Verehrenden gaben den Mönchen zu essen und baten sie als ihre Gäste zu bleiben. Sie versprachen jedem von ihnen, eine Hütte auf den sandigen Grund in der Nähe des Hains zu bauen, sodass sie Tag und Nacht unter den uralten Zweigen der majestätischen Bäume meditieren konnten. Die Mönchen stimmten zu, und die Gläubigen bauten kleine Hütten in den Lichtungen des Waldes und statteten jede Hütte mit einem hölzernen Bett, einem Hocker und Wassertöpfen zum Trinken und Waschen aus. Nachdem die Mönche sich zufrieden in den Hütten niedergelassen hatten, suchte sich jeder einen Baum, um bei Tag und Nacht meditieren zu können. Nun wird erzählt, dass diese Bäume von Baumgottheiten bewohnt wurden, die sich eine himmlische Behausung gebaut hatten, und diese Bäume als Fundament verwendeten. Aus Verehrung für die meditierenden Mönche wichen die Gottheiten mit ihren Familien zur Seite. Tugend wurde von allen geschätzt, so besonders von Göttern. Und als die Mönche unter den Bäumen saßen, wollten die Götter, welche ja die Hausherren waren, nicht über ihnen bleiben. Die Götter hatten sich gedacht, dass die Mönche nur für eine oder zwei Nächte bleiben würden, und konnten daher diese Unannehmlichkeit ertragen. Aber als Tage vergingen, und die Mönche noch immer den Fuß der Bäume besetzt hielten, wunderten sich die Götter, wann denn die Mönche wohl wieder gingen. Die Götter fühlten sich wie enteignete Dorfbewohner, deren Häuser von Beamten der Königsfamilie besetzt wurden, und sie hielten beängstigt Wache aus einiger Entfernung, ohne zu wissen, wann sie wieder zu ihren Häusern zurückkehren könnten.
Die enteigneten Götter besprachen die Situation miteinander und beschlossen, die Mönche wegzuscheuchen, indem sie ihnen erschreckende Objekte zeigten, furchtbare Geräusche machten und übelriechende Gerüche erzeugten. Sodann setzten sie ihre Absichten in die Tat um und plagten damit die Mönche. Die Mönche wurden bald blass und konnten sich nicht länger auf die Objekte ihrer Meditation konzentrieren. Da die Götter ihre Belästigung fortsetzen, verloren die Mönche schließlich ihre Achtsamkeit und ihre Gehirne schienen durch die bedrückenden Erscheinungen, Geräusche und Gerüche alle Konzentrationsfähigkeit zu verlieren. Nachdem die Mönche sich versammelt hatten um den Rangältesten zu erwarten, erzählte jeder von seinen Erfahrungen. Der älteste machte den Vorschlag:
„Lasst uns gehen, Brüder, zum Erhabenen und ihm unser Problem darlegen. Es gibt zwei verschiedene Perioden der Zurückgezogenheit während der Regenzeit, eine frühere und eine spätere. Obwohl wir die frühere abbrechen werden, indem wir diesen Ort verlassen, können wir noch immer an die spätere Periode anknüpfen, sobald wir den Meister getroffen haben.“ Die Mönche stimmten zu, und machten sich allesamt auf den Weg. Es wird erzählt, dass sie nicht einmal die Gläubigen davon unterrichtet hatten.
In mehreren Etappen erreichten sie Savatthi, gingen zum Erhabenen, warfen sich zu seinen Füßen und baten, Mitleid heischend und ängstlich, um einen anderen Ort. Durch seine übernatürlichen Kräfte suchte der Buddha in ganz Indien, doch fand er keinen geeigneteren Ort außer eben diesen, an dem sie geistige Befreiung erreichen könnten. Er sagte ihnen: „Mönche, geht zurück zum selben Ort! Nur dort erreicht ihr durch Euer Bemühen die Vernichtung innerer Befleckungen. Habt keine Angst! Wenn ihr frei sein wollt von den durch die Götter verursachten Belästigungen, lernt dieses Sutta.
Es wird sowohl ein Objekt für die Meditation als auch eine Schutzformel (Paritta) sein.“ Sodann rezitierte der Meister die Karaniyametta Sutta – die Hymne der Universellen Liebe – welche die Mönche in Gegenwart des Erhabenen auswendig lernten. Dann gingen sie zum selben Ort zurück.
Als sich die Mönche das Metta Sutta rezitierend den Waldbehausungen näherten, wobei sie über den tiefen Sinn nachdachten und meditierten, da wurden die Herzen der Gottheiten so mit warmen Gefühlen des Wohlwollens erfüllt, dass sie sich zu menschliche Wesen verwandelten und die Mönche mit großer Frömmigkeit willkommen hießen. Sie nahmen ihnen die Schalen ab und führten sie zu ihren Zimmern. Sie sorgten dafür, dass Wasser und Essen zur Verfügung standen, und, nachdem sie ihre normale Form angenommen hatten, luden sie die Mönche ein, die Baumfundamente wieder in Besitz zu nehmen und ohne Bedenken und Angst zu meditieren.
Dazu kümmerten sich die Gottheiten in den drei Monaten der Regenzeit nicht nur um die Mönche, sondern bemühten sich auch, dass der Ort völlig frei von Geräuschen war. Die perfekte Stille genießend erreichten alle Mönche nach Ende der Regenzeit den Gipfel geistiger Verwirklichung. Jeder der fünfhundert Mönche wurde ein Arahat.
Tatsächlich ist dem Metta Sutta eine solche innere Kraft eigen. Wer immer mit festem Vertrauen das Sutta rezitiert, erfleht den Schutz der Gottheiten. Wer über Metta meditiert, wird nicht nur in jeder Weise sich selbst beschützen, sondern auch alle um sich herum, und wird dauerhaft spirituelle Fortschritte erzielen. Nichts Böses kann einem Menschen zustoßen, der dem Weg von Metta folgt.
Übertragen aus dem Englischen von Birgit Morbitzer, Tuan Le und Georg Hutflesz