Denkwege der indischen Philosophie: Der Pfad des Samadhi
Entstehungsgeschichte:
Zusammengestellt aus den vorliegenden Folien, den Zusammenfassungen der Kollegen und der Transkription der Vorlesungsmitschnitte.
Anmerkungen der Bearbeiter*innen:
Ausgelassen wurde die Vertretungseinheit und die letzte Vorlesung.
1. Vorlesung
Yoga Sutren von Patanjali – erster Versuch der systematischen Zusammenschrift der bisherigen Sutren (200 v. Chr. - 400 n. Chr.)
Sutra– Faden (sanskr.),
Yoga– verbindendes Joch zwischen zwei Zugtieren an einem Gespann; auch als Metapher, der Verbindung vonpuruṣa und prakṛti zu verstehen
Meditation- reflexive Dabeisein bei einer Sache
dreiStufen der Meditation: Kontaktaufnahme mit einer Sache, bei der Sache verweilen, auf den Sinn einer Sache einlassen;
drei als Sinnlichkeit (für die Kontaktaufnahme während der Meditation), der diskursive Sinn, der sich uns erschließt wenn wir uns auf eine Sache konzentrieren (sowohl sinnlich als auch geistig), den Sinn, den wir im Sinn haben, wenn uns eine Sache ins Bewusstsein tritt;
Dualismus
Yoga ist eine dualistische Philosophie. Aus den zwei univoken Grundprinzipien sind alle anderen Dinge zusammengesetzt.
Die üblichen Sanskritbezeichnungen für die beiden Prinzipien Geist &Materie sind u. a.:
puruṣaundbzw. cit & cittabzw.
Wobei puruṣa wohl besser übersetzt wird mit der Vernehmende(nach Böhler) oder auch das. Vor allem auch weil vernehmen vom Wort Vernunft und auch noem(gr. Vernunft) abstammt. Puruṣa ist das was nicht mehr da ist, wenn ein Körper tot ist → der Körper kann nicht mehr vernehmen (Gefühle, Wahrnehmung, Gedanke etc.)
puruṣa wird als dem Seinsprinzipentsprechend gesehen, während prakṛti als Werdensprinzipinterpretiert wird.
Prakṛtiwird wohl am besten übersetzt mit Materieoder örtliches Sein.
Einerseits bin ich selbst Leib (prakṛti), andererseits aber auch der der seine eigene Leiblichkeit vernimmt (puruṣa). In unseren Körper kommen beide Prinzipien zusammen.
Sobald sich ein leiblich vermitteltes Selbstgewahren meiner Selbst (Selbstaffektion) einstellt, haben sich beide Prinzipien bereits schon verbunden. In lebendigen Körpern sind diese beiden Prinzipien immer schon synthetisch verbunden. Diese Verbindung selbst ist Yoga.
Das ewig, unwandelbare Selbst (puruṣa)kann sich selbst nicht vernehmen, ohne in Kontakt mit der ewig, wandelnden Materie (prakṛti)zu treten. Sonst wäre es ein „selbstloses“ Selbst. Auch diese gegenseitige Abhängigkeit ist Yoga.
Beide Prinzipien sind allein nicht existent → kein Ding an sich.
Durch die Vermischung der beiden Prinzipien entsteht eine grundlegenden Verwirrung. Diese Konfusion, nicht zu wissen wer man selbst ist und die Unwissenheit von den Verhältnissen von Geist und Körper, ist die Basis leiderzeugenden Handelns.
Das falsche Handeln infolge der Konfusion ist avidyā.
Nur durch das Erkennen der Verhältnisse von Geist und Körper und Auflösen des Chaos dieser Verhältnisse kann diese Verwirrung gelöst werden.
2. Vorlesung
In der Welt der prakṛti gibt es zwei verschiedene Arten von Körpern:
die äußeren Objekte und der Körper, der ich selbst bin.
DasProblem der Verwirrungen wird kleśa(Hindernis) genannt. Es ist ein Hindernis bei der Öffnung zur Welt im Yoga.
Dieerste Verwirrung heißt avidyā– das Nichtwissen oder besser die Ignoranz, auch im Sinne von Verengung (duḥkha ). Sie ist die Verwirrung von Geist und Materie in einem selbst und sie ist der Nährboden für alle anderen Verwirrungen.
Die Verwirrungen im avidyāentstehen durch die Verwechslung von dem was wichtig und dem was unwichtig ist, zwischen dem was beständig ist und dem was unbeständig ist, zwischen dem, von dem wir denken, dass es uns Freude macht und dem was uns wirklich Freude bereitet. → das ist die Ignoranz im yogischen Sinn
Aufgabe der yogischen Praxis ist es diese Verwirrungen zu lösen.
kriyā– Yoga: Yoga der Tat
→Aushungern des kleśa-Baumes, gießen des samadhi-Baumes
Aus der Ignoranz entsteht asmitā (falsche Ich-Zentrierung).
Asmitāist das Ich-Bewusstsein, wobei dieses Bewusstsein eine Gefahr in sich birgt, es ist die Identifikation des Selbst mit sich, genauer der Irrglaube das puruṣaundprakṛti dasselbe seien bzw. eines seien.
Asmitāfindet sich auch in der Meditation, im Aufgehen in einer Tätigkeit, dem Verbinden eines Ich-Bewusstsein mit einer Sache statt.
Das wäre die positive Seite des asmitā.
Die negative Seite findet sich in der Enge der Verbindung.
Durch die Enge der Verbindung werden die Lücken vergessen, die enge Beziehung verliert ihre Reinheit → duḥkha.
Bei der Meditation oder beim prāṇāyāma (yogische Atemübungen) wird man selbst nicht nur mit seiner Atmung eins, sondern es soll jederzeit auch eine Offenheit gegenüber der Welt bleiben, eine zweite Perspektive die das In-der-Welt-sein mit einschließt.
Diese Art des Denkens löst los von der alleinigen Fokussierung auf den Gegenstand der Meditation und öffnet die Lücken zwischen den Verbindungen. Das Nichts der Lücken ist aber immer ein Nicht von etwas und damit eher ein kreatives Nichts (siehe Pausen in der Kunst) denn ein vernichtendes.
3. Vorlesung
Bei der Konzentration auf den Atem während der Meditation, nach dem Einlassen, dem direkten Kontakt mit dem Atem selbst, wird klar das der Atem leer ist.
Leer ist er von der Betrachtung des zweiten Auges aus, dem Auge, das uns selbst in der Leerheit zeigt, von der jeder Körper umgeben ist.
Diese Form der Leerheit ist puruṣa, die immer in allen Formen gegenwärtig ist. Damit ist es nie das Andere zum Körper, weil es immer als „Umspringbild“, als direkter Umschwung zwischen den Stati vorhanden ist. In der Meditation soll geübt werden den Körper als Körper und auch als Leerheit zu betrachten.
Alle Körper erscheinen immer in zwei Perspektiven: als lokale Erscheinung und in der Leerheit, in der sich dieser Körper befindet und über die er mit anderen Körpern kommuniziert.
Asmitāwäre dann die falsche Betrachtung dieser Leerheit und der daraus entstehenden Offenheit des Körpers für die Welt.
Daraus ergibt sich eine zur westlichen Auffassung vollkommen verschiedene Betrachtungsweise des Selbst. Bevor man bei sich selbst ist, ist man immer schon draußen bei den anderen in der Welt und teile diese Welt mit den anderen. So auch bei der Wahrnehmung, zuerst nehme ich die Welt und die anderen wahr und erst dann mich selbst.
Die drei weiteren Verwirrungen sind
rāga(Gier, Angezogensein von falschenGlücksversprechungen)
dveṣa(Von unbegründeten Aversionen/Ressentiments beherrscht werden)
abhiniveśāḥ(Todesangst)
Rāgaals Gier ist nicht mit dem christlich-moralischen Weltbild zu verstehen. Es findet sich keine moralische Verwerflichkeit in der Gier, sondern rāga ist ein Hindernis, das ich für mich selbst darstelle. Aus ihr resultiert eine Verschließung zur Welt.
Rāga ist ein uneingelöstes Versprechen von Glück, das sich durch die Gier einstellen soll.
Dveṣawäre das Gegenteil zu rāga, die Abscheu. Während es dieGierigen nach allem verlangt, ist es bei dveṣa ein Abstoßen von allem durch Ressentiments. Auch hier kommt es zur Verengung der Seele.
Abhiniveśāḥsteigt aus dem “Inneren” unseres endlichen In-der-Welt-seinsauf und ist innig mit dem conatus (Streben) – dem Willen, sich selbst im Da-sein zu halten – verbunden. Ihr unterliegen alle Lebewesen, selbst die Weisen. Sie führt ebenfalls zur Verengung (duḥkha).
Das Handeln (karma) das kleśas erzeugt, ist ein Handeln, das sich materiell speichert, quasi als Archiv. Dem Handeln im Hier und Jetzt kommt eine neue Dimension der Sedimentierung des Handelns hinzu.
Das Problem, das sich hieraus ergibt, ist das wir irgendwann nur mehr aus dem Fundus des Archivs, von der Vergangenheit her Handeln.
In den Yoga-Sutren wird versucht dieses Problem des kleśas-karma zu überwinden durch ein Handeln in der Gegenwart und einer Befreiung vom archivarischen Karma der Vergangenheit.
2.kriyāyoga...
ist der Yoga der Tat.
Die beiden Ziele des kriyā-yoga:
samadhi bhāvanā ist die Übung um den Samadhi Baum zu vergrößern undkleśa tanū sind die Hindernisse, die dieser Geburt entgegenstehen, sie ausdünnen und reduzieren. Ziel ist die Übung des Samadhi und den kleśa – Baum zu verringern.
Es heißt also etwas zur Geburt verhelfen, und ist dem Gefühl mit der Emotion und mit der Meditation verwandt, anders übersetzt ist es die Geburt einer Stimmung des Meditierens.
kleśa tanu ist das Nicht-fließen des Baumes .
Īśvara-praṇidhāna
Die existentielle Zuwendung zu einem besonderen Geistkörper, der über ein spezielles Wissen verfügt, wie man sich von Leid erzeugendem Handeln, seinen Folgen und seinen traumatischen Erinnerungsspuren frei hält.
Dieses besondere Wissen ist Weisheit. Sie ist dem Menschen zugänglich, zunächst und zumeist ist sie aber keine „Eigenschaft“ des Menschen, sondern des Kosmos, der „von der Weisheit“ regiert wird. Die Weisen haben sich diese kosmische Weisheit angeeignet und sind daher selbst „weise“ geworden. (YS 1.23-1.29).
Das Wissen um die Vergrößerung des Samadhi-Baumes und der Verkleinerung des Kleśa-Baumes ist ein existentielles, praktisches Wissen. Jeder Weise muss sich aus dem Nicht-Wissen in das er hinein geboren wurde, heraus entwickeln um zu diesem Wissen zu gelangen. Der Weise ist derjenige der den Schleier der Kleśas wegnimmt.
Dereigentliche Weg des Yoga den Kleśa-Baum zu reduzieren führt über abhyāsa (Übung) und vairāgya (Gelassenheit). Die Übung, in der wir uns auf die Lücken, Pausen und Leerstellen in unserem Da-sein einlassen, wodurch sich Gelassenheit in uns breit macht. (YS 1.12-1.16)
4. Vorlesung
Es gibt drei Methoden den Kleśa-Baum zu verringern:
1.) abhyāsa& vairāgya:
Sie treten immer als Paar auf. Die Gelassenheit kann nur entstehen, wenn abhyása (Übung) schon vorhanden ist. vairāgya ist der emotionale Zustand in dem Yoga stattfinden kann.
Es geht um das Konzentrieren auf die Lücken im Dasein und ein intensives Bemühen einen Sinn für diese Lücken zu entwickeln.
Im Yoga kann sich das leibliche Lustempfinden bzw. Begehren von Gegenständen auf die Pausen konzentrieren. Jemand der einen Sinn für dieses Nichts entwickelt hat, hat eine stabile Basis des Yogas, in der sich wieder als ein materielles Gedächtnis der Übungen sedimentiert. Dadurch ergreift der Sinn den ganzen Körper und bringt ihn in eine yogische Form.
Wenn das Begehren nach der Stille größer wird als das Begehren nach dem Gesehenen oder Gehörtem, dann entsteht vairāgya. In diesem Moment werden wir dem puruṣa< /spaninne.
2.)ist für diejenigen, für die sich die erste Methode nicht eignet. Man wendet sich einem Wesen zu, das ein Wissen um die Verkleinerung des Kleśa-Baumes, also wie man sich von Leid erzeugendem Handeln frei hält, besitzt.
Dieses besondere Wissen ist Weisheit. Sie ist dem Menschen zugänglich, zunächst und zumeist ist sie aber keine „Eigenschaft“ des Menschen, sondern des Kosmos, der „von der Weisheit“ regiert wird. Die Weisen haben sich diese kosmische Weisheit angeeignet und sind daher selbst „weise“ geworden. (YS 1.23-1.29)
Diese Weisen leben außerhalb der Zeit, jener Zeit die durch den Kleśa-Baum bestimmt ist.
3.)Die Übung der Konzentration auf das All-Eine (Immanenz), das in allem sichtbar werden kann, wenn wir uns einem konkreten Gegenstand so zuwenden, dass wir uns ununterbrochen auf ihn einlassen, bis nur noch der Gegenstand selbst leuchtet und das Ich, im Zuge dieser Wahrnehmung des Gegenstands wie aufgelöst scheint, als wäre es selbst ganz leer geworden. (YS 1.32)
Viveka-khyātiist das Ziel dieser drei Wege des Yoga.
Es ist die Überwindung von avidyā-khyāti. Durch die Hervorbringung der Fähigkeit eines „embodied mind“, zwischen den beiden univoken Seinsprinzipien Geist und Materie am eigenen Leib unterscheiden zu können (= viveka-khyāti), werden die Hindernisse (kleśa) auf dem Weg zu Samādhi ausgeräumt.
= Die 8 Glieder des Yoga =
Yoga wird gleich im zweiten Yoga-Sūtra erklärt:
yogaś„Yoga ist das Verlangsamen und Innehalten (nirodhaḥ) der (leiderzeugenden) Wirbelbewegungen (vṛtti) in unserem leiblichen Da-sein (citta, embodied mind).“ (YS 1.2)
Dann nimmt das sehende Prinzip (draṣṭuḥ) – das jedem von uns innewohnt – in seiner Wesensnatur (svarūpe), in der Offenheit der Leerheit Platz. (YS 1.3)
Draṣṭuḥist dabei das sehende Prinzip, was nichts anderes ist, als der bereits vermischte puruṣa.
Das Gegenteil davon ist die lückenlose Identifikation mit den leiderzeugenden Wirbeln (vṛtti-sārūpyam itaratra, YS 1.4)
Wenn das vernehmende Prinzip in uns in der Leerheit Platz nimmt, dann weitet sich der „Blick des Sehers“, insofern er die Formen der Welt von ihrer Welt-Offenheit her vernimmt.
Durch das Heraustreten aus der Selbstidentifikation der Leiblichkeit und dem Platznehmen des sehenden Prinzips in der Offenheit der Leerheit, kommt es zu einem Loslösen meiner selbst von mir selbst, wodurch die Identifikation von mir mit meiner reinen Leiblichkeit möglich wird.
Wenn die Identifikation von mir mit der bloßen Form meiner Leiblichkeit stattfindet (Narzissmus) passiert vṛtti-sārūpyam itaratra, das Gegenteil von yogaś citta-vṛtti-nirodhaḥ.
Das Platznehmen in der Leerheit soll sich durch Übung und Gelassenheit (abhyāsa und vairāgya) einstellen.
5. Vorlesung
Die 8 Glieder (angas) des Yoga:
yama,niyama, āsana, prāṇāyāma, pratyāhāra, dhāraṇā , dhyānaund
1.)lässt sich einem westlichen Verständnis nach am besten mit Ethik übersetzen. Es betrifft vor allem das Verhältnis meines In-der-Welt-seins mit dem In-der-Welt-sein der anderen.
Die Yamas sind unabhängig vom Kontext und auch raum- und zeitlos. Es sind keine normativen Sätze wie in den ethischen Theorien westlicher Ausformung, sondern es sind Sätze, denen ich mich schon immer freiwillig unterwerfe, weil sie mein Handeln in die richtige Richtung bringen.
In alten Traditionen wurden die ersten beiden Glieder des Yoga-Weges nicht dazu gezählt. Vielleicht weil die ersten beiden „moralischen“Glieder vorausgesetzt wurden und nicht nur speziell für die Befolgenden des Yoga-Weges zutrafen.
Ethik wird in der indischen Philosophie eher als Mittel zum Erreichen höherer Seinszustände gesehen, statt als Selbstzweck aufgefasst zu werden, wie es in der westlichen Philosophie der Fall ist.
Ethik hat auch weder etwas Freiheit oder mit Autonomie (vgl. Kant) zu tun, sondern die Verhaltensregeln zeigen sich eher als kosmische Gesetze, denn als Produkte von subjektiven Willensentscheidungen. Gegen diese Gesetze zu verstoßen, passiert auch immer aus Unwissenheit (avidyā)und nicht aus Intention. Der der unethisch handelt, lebt in der Illusion, durch dieses Handeln den Kleśa-Baum zu verringern, wobei aber das Gegenteil passiert.
Es ist nicht die Frage nach der Verletzung einer Person, sondern eine Frage nach der Verletzung der Welt selbst und dadurch, dass ich Teil dieser Welt bin, zugleich auch meiner selbst.
1. Ethische Regel: Gewaltlosigkeit gegenüber Anderen und uns
Genauso bei der Gewalt: Es geht nicht um die Frage nach dem der so handelt, sondern darum ob meine Welt von Gewalt besetzt ist. Wenn ich in mir Gewalt akzeptiere, solange werde ich in einer Welt mit Gewalt leben. Es ist eine Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen.
Yama wird als Wurzel des Yoga-Weges betrachtet. Damit wird die Regel der Gewaltlosigkeit zur Wurzel der Wurzel des Yoga-Weges.
2. Ethische Regel: Redlichkeitgegenüber dem, was sich an Anderen und uns selbst zeigt.
Diese redliche Wahrhaftigkeit ist im Gegensatz zu der „Beichtsituation“des Gewissens christlicher Provenienz zu sehen. Es ist ein nicht-wertendes Gewissen, ein Sehen ohne zu urteilen.
3. Ethische Regel: Nicht-Besitzen
Besitz ist in der indischen Philosophie oft negativ konnotiert mit einer Besessenheit vom Besitz. Daraus zeigt sich auch die indische Interpretation des Stehlens und zwar nicht von dem Aspekt aus, dass ich den Besitz anderer will, sondern dass ich überhaupt in die Position des Besitzens komme.
4. Ethische Regel: Vollzug
Brahman: Ein Leben, das die Leere nicht vergisst. Zuwendung auf diese Leerheit, in der ich mich selbst und sich auch die anderen befinden. Diese Leerheit darf nicht mit Innerlichkeit verwechselt werden, denn wenn ich mich selbst und mein Inneres betrachte, sehe ich nur die vṛitti, nicht aber den puruṣa, für den das Innen zugleich ein Außen bei der Leere ist. Es ist der Zustand der Leerheit, wo ich so bin, als ob das Ich in mir verschwunden wäre.
5. Ethische Regel: Generosität gegenüber Anderen und uns
Das Verhältnis von einem zum Anderen ist eines das grundsätzlich aus der Generosität des Daseins besteht. Das Gegenteil von Generosität ist die Gier. Ein gedächtnisloses Geben, das nicht dem Geist des Verrechnens geschuldet ist.
Diese Regeln unterliegen eigentlich keinem Kontext , denn es sind kosmische Regeln und gelten unabhängig von jeglichen situativen Umständen.
2.Glied:Niyama
Sind Regeln darüber wie ich eigentlich mich zu meiner eigentlichen Leiblichkeit verhalten soll.
Empfehlung
Die Reinigung ist nicht nur „waschen an sich“, sondern auch die Reinigung von den kleśas.
freudige
Die psychologische Reinigung soll durch freudige Gelassenheit erfolgen. Hier zeigt sich wieder die Gelassenheit als Gegenmoment zu dem stetig antreibenden Fortschrittsparadigma der westlichen Welt.
Alles was in der Leerheit ist, ist bereits schon in mir - auch die Zukunft, weil hier auch was kommen wird, in der Leerheit da sein wird. Damit ist jemand der in der Gelassenheit ruht und sich öffnet zur Leerheit, immer auch schon den Dingen voraus. Wenn ich der gesamte Raum bin, ist alles was sein kann, bereits in mir.
Die< u>letzten drei niyamas sind Zurückhaltung , Selbststudiumund Īśvara-praṇidhāna (Zuwendung zur kosmischen Weisheit ). Sie entsprechen der Definition von kriyā yoga .
Zurückhaltung des Atmens, aber auch in ganz vielen anderen Dingen, wie zum Beispiel in der Ernährung. Eher weniger als zu viel.
3.Glied:
Körperstellungen, die in einer Haltung vollzogen werden soll, die stabil, fest und angenehm sein soll.
Es soll eine Position im Körper gesucht werden, in der wir stabil, fest und angenehm für längere Zeit verweilen können. Nach einer Zeit der Übung entsteht eine Balance, die uns gegenüber Extremen unempfindlich macht.
7. Vorlesung
Die Yamas könnte man als eine asiatische Definition der Menschenrechte auffassen, da sie eben als Regeln für alle Menschen gedacht sind und aufgrund ihrer Kontextunabhängigkeit.
3.Glied:
Die āsanas sind Anleitung zur Haltung, keine Anweisung für eine Gymnastik, in den Sutren werden keine konkreten Übungen erwähnt.
Um diesen physischen Zustand der völligen Entspannung zu erreichen muss der Yogi sich in eben dieser schmerzfreien, stabilen Position befinden. Erst dann kann er sich auf die Unendlichkeit (symbolisiert durch die Schlange Ananta) ausrichten. Die Yogapraxis der āsanazielt darauf ab, durch lange Übung eine Position über einelängere Dauer halten zu können.
Durch das Halten dieser Position entsteht ein Moment des Stillstehens, der Meditation, eines Platznehmens in der Leerheit. Wie bei abhyāsa und vairāgya ist es ein Einlassen auf die Lücken und Pausen des Daseins.
Zerstreuungenwie Schmerz und unkontrollierte Gedanken halten uns vom Verweilen in der stabilen Position der āsanas ab. Der Schmerz hält unser Bewusstsein „gefangen“, wenn die Körperposition nicht für längere Zeit ruhig und stabil auf angenehme Weise eingehalten werden kann.
Wenn wir eine Position gefunden haben in der wir ohne Schmerz verweilen können, können uns unkontrollierte Gedanken uns zerstreuen und von der Offenheit der Meditation abhalten.
4.prāṇā bedeutet Lebensenergie bzw. Lebensprinzip, welches in uns auf einer unbewussten Ebene am Werk ist. prāṇā das mit atma (ind. Atem) verbunden ist, steuert als physische Intelligenz unsere Leiblichkeit.
Der Atem steht als ein Zwischenwesen zwischen der bewusst steuerbaren und der unbewussten und damit unsteuerbaren Welt. Er läuft zwar unbewusst und automatisch ab, aber wir können ihn auch willentlich steuern. Damit ergibt sich für den Menschen die Chance in eigene unbewusst ablaufende Prozesse einzugreifen und damit Einfluss auf die unbewusste Kybernetik des Atems zu nehmen.
Die Atemübungen zur Steuerung des Atems nennen sich prāṇāyāma.
Durch prāṇāyāma können wir uns über den Atem auf die unbewussten Prozesse des prāṇā in unserem Körper fokussieren.
Das setzt ein Selbstbewusstsein, das nicht nur die Außenwelt sondern auch sich selbst wahrnehmen kann, voraus. Durch die Atemübungen sollen wir uns der Lebensenergie in uns gewahr werden.
Durch die Verbindung des Selbstbewusstseins mit der Atmung, wird das Bewusstsein geöffnet und wir können mit unserem Unbewussten in Kontakt treten. Dadurch können unbewusste Ängste in uns aufkommen.
Die Schwierigkeit dieser Übung ist das Zulassen und das Beobachten unseres Atmens ohne einzugreifen.
Es entsteht eine stabile mentale Verbindung zur eigenen Atmung mit der Folge der Verdrängung anderer Gedanken und dem Unterbleiben von assoziierendem Denken. Die Konzentrationsfähigkeit nimmt zu und die vritti (Wirbel) werden durch die Konzentration auf den kontinuierlichen Fluss des Atems reduziert.
Durch den kontinuierlichen Fluss des Atems und die Konzentration darauf, beginnt die Übung meditativ zu werden bzw. das Platznehmen in den Lücken der Atmung an den Stellen der „Atemumkehr“. Es geht dabei um ein Verlängerung des Sein-lassens der Atmung.
In der indischen Philosophie gibt es keinen Übergang in ein Anderes des Todes. Es erwartet einen überall (beim Atem, beim Tiefschlaf oder auch beim Tod) das seit jeher bekannte und allgegenwärtige puruṣa, in dem wir uns schon immer befunden haben.
5. Glied: Pratyāhāra
Wenn die Sinne ihre Richtung ändern und nicht mehr von außen stimuliert, sondern von „innen“ (svar'ū'pe, leere Selbstform) gestillt werden, dann findet das statt, was man die Zurückhaltung der Sinne nennt. (YS 2.54)
Im üblichen Fall reflektieren die Sinne die äußeren Gegenstände und vermitteln sie an mich. Aber da das Ich immer Zeuge seiner selbst durch das Selbstbewusstsein ist, kann, nach der indischen Auffassung, die Sinnrichtung, der nach außen gerichteten Sinne, umgekehrt werden um das vernehmende Prinzip in mir zu reflektieren.
Nur in einem lebendiger Leib, der nach der indischen Auffassung eben die Vermischung von puruṣa und prakṛti ist, kann diese Selbstreflektion die Prinzipien unterscheiden. Das kann erst vonstatten gehen wenn man gelernt hat, die Sinne nach innen zu kehren und unseres inneres Selbst selbst zu reflektieren.
Die< u>ersten fünf Glieder des 8-gliedrigen Yogaweges sind die< u>äußeren, praktischen Glieder. Die letzten drei Glieder (6 – 8) der Meditation (saṃyama) bilden die drei inneren Glieder, die zum Samādhi-Baum führen und den Kleśa-Baum reduzieren.
8. Vorlesung
Für die indische Philosophie ist das Ich das einzige Organ, das nicht nur Objekte vernehmen kann, sondern zugleich sich selbst immer auch schon mit vernimmt.
Im Gegensatz dazu kann die Materie sich selbst nicht reflektieren. Der Geist aber kann sowohl sich selbst als auch andere reflektieren.
Die indische Philosophie aber behauptet im Gegensatz zur westlichen Philosophie das diese Fähigkeit nicht dem Geist angehört sondern den Sinnen. Es ist die den Sinnen eigene Möglichkeit sich nach innen richten zu können.
Durch das Nach-innen-wenden der Sinne kommen wir in die Nähe des Ziels des Yoga-Weges. Während Kant dem Menschen einen inneren Sinn attestierte mit dem er sein Selbst wahrnehmen konnte, fasst die indische Philosophie die innere Wahrnehmung als ein Erkennen der eigenen Leiblichkeit und der eigenen Organe auf.
Durch das Erkennen und Unterscheiden wird auch die Veränderung der eigenen Organe, zum Beispiel zum Zwecke der Selbstheilung, möglich. Im pratyāhāra beginnt das Selbst als sich selbst zu beobachten.
Der erste Teil der Yoga-Sutren behandelt die Philosophie des Yoga. Im zweiten geht es um den Yoga der Tat, obwohl er von den 8 Angas handelt, endet er beim fünften, äußeren Glied. Nach den ersten fünf Glieder beginnt der eigentliche Yoga-Weg.
Puruṣa und prakṛti sind nach der indischen Philosophie schon immer zusammen. Ihre Vermischung ist nicht vom Menschen verschuldet, d.h. es gibt auch keinen Sündenfall im christlichen Sinn. Das Erkennen der Unterscheidung der beiden Prinzipien kann nicht durch Wille, Denken oder Vernunft erlangt werden. Diese Entwicklung kann als eine genetische Evolution der Materie aufgefasst werden.
Die prakṛti muss Reifheit bzw. einen bestimmten Freiheitsgrad erlangen für diesen Schritt.
Diese Bereitschaft liegt nur sehr beschränkt an mir sondern an Verschränkung von mir und der ganzen Welt.
Diese Erkenntnis allein aber bedingt noch nicht die Unterscheidung von Puruṣa und prakṛti. Damit kann erst eine Art „Durchsichtigkeit“des Raumes erkannt werden (vgl. Leerheit, Lücken, Pausen).
Um die beide Prinzipien zu unterscheiden wird aber noch die Unterscheidung von dem Sehenden und dem Gesehenen notwendig.
Am Ende der Sutren steht das durch die Realisation der Gegenströmung der Freiheit leuchtet die Leerheit auf.
Saṃyama(meditative Sammlung) sind die drei letzten inneren Glieder des8-gliedrigen Yoga-Weges:
Der Körper wird in den Raum geboren, in das Selbst in welches alles Empirische mit hinein geboren wird. Der Körper wird eben in das Brahman (vgl. puruṣa) geboren, wovon wir aber nichts wissen, was sich uns eben erst in dem „Umschlag“ zeigt. Der „Umschlag“ist der Moment in der Meditation in der sich Leerheit beginnt in mir zu reflektieren (wohlgemerkt, nicht ich reflektiere die Leerheit).
Dhāraṇā:Konzentration auf die Leere des Raum, die innen und außen zumal ist
Dhyāna:Versammlung unseres Selbstseins in dieser Leere.
(Vgl. YS 1.1-1.4: Jetzt nehmen wir in ihr selbst Platz.)
Samādhi:Das Selbst wird schließlich selbst entleert von avidyā-khyāti, der falschen Selbstzentrierung des Ich in mir selbst (statt in der Leere). Im Zustand des Samādhi erscheine ich mir selbst so, als ob das Ich aus mir selbst verschwunden wäre. Als ob ich selbst leer, quasi Ich-los wäre.
9. Vorlesung
Das Sutra beginnt mit den Worten „purusa artha“:
Purusa meint dieses Selbst, in dem alle anderen sind; artha heißt: dieses Selbst hat seinen Sinn/Zweck erfüllt.
Der Zweck ist erfüllt, wenn das endliche Ich durch den Durchgang der meditativen
Gegenströmung (partiprasava) zur Freiheit (kaivalya) gelangt:
In dieser Bewegung weg von der Wahrnehmung einzelner Gegenstände, hin Gewahren der infinitiven Offenheit der Welt schwimmt der Yogi gegen den Strom (pratiprasava).
Dabei realisiert er jene gegenläufige Strömung der Freiheit (kaivalya), die es ihm schließlich erlauben soll, in der Leerheit selbst Platz zu nehmen, wo das sehende Prinzip zu seiner Vollendung kommt.
Wichtige Vertreter von westlichen Philosophien der Leiblichkeit:
Nietzsche
Merlot Ponty
Edmund Husserl:
bekommt großes Problem bei der Unterscheidung zwischen Körper und Leib. Er kämpfte permanent mit dem Problem, diese Unterschiedlichkeit der zwei Perspektiven auf uns selbst: als ein Ding/Körper/ Außenansicht auf uns selber – und gleichzeitig diese innere Perspektive auf uns selber, die immer gebunden ist an dieses Außen der Körperperspektive, welche er eben Leiblichkeit nennt, d.h. die Leiblichkeit die wir durch unser körperliches Dasein selbst erfahren.
Die Yoga-Tradition kann aus drei Gründen in Vergleich gesetzt werden mit dieser
Tradition der Leiblichkeit:
1.)So etwas wie einen „reinen Geist“ gibt es streng genommen in der Yoga- Tradition nicht. Das Sein entsteht nur in Kontakt von Geist und Materie, nur in der Vermischung.
2.)Dem Geist, der das einzige Prinzip ist, das sich selbst vernehmen und daher selbst reflektieren kann, ist es nur möglich sich selbst über ein Medium zu vernehmen, das ihn mit den Objekten der Außenwelt verbindet.
In der indischen Philosophie ist eine Subjekt-Objekt-Verbindung nur über das Dritte der Leiblichkeit (citta) möglich.
Leiblichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang die Selbstobjektivierung des Geistes in einem Körper, d.h. das Subjekt selbst ist bereits gespalten in das Subjekt und die Art und Weise des Erscheinens des Subjekts in der objektiven Welt als Körper.
Erst durch die objektiven Struktur des Subjekt, seiner Manifestation im prakṛti, kann es erst Beziehungen zu äußeren Objekten einnehmen.
(vgl. Subjekt-Objekt-Gespaltenheit bzw. Riss des Subjekts durch die Selbstwahrnehmung bei Deleuze)
3.)Diese Form des Reflektierens ist selbst immer auch auf prakrti, auf
Materie angewiesen.
D.h. das Ergebnis der Selbstreflexion der Leerheit in mir selbst ist de facto an
materielle Vollzugsbedingungen geknüpft, die nicht vom Willen oder der
Vernunft allein abhängen.
Im folgenden Teil der Vorlesung haben wir uns mit drei Begriffen auseinandergesetzt, welchen man in Yoga-Zentren begegnet, weshalb sie hier im Rahmen der Vorlesung thematisiert werden:
Samskara: Archiv unserer Erfahrungseindrücke (vasana)
Smrti: Gedächtnis, durch das wir Erfahrenes erinnern
Samsara: Kreislauf der Zeit, in dem sich Existenz eines Lebens realisiert. (Spielt im
Buddhismus eine entscheidende Rolle)
Samskara: Wörtliche Übersetzung: „das vollendete Tun, Das Gewesene, welches die Fähigkeit hat, die Spuren der Gewesenheit in sich selber aufzunehmen und zu archivieren.“
Es ist kein Gedächtnis, sondern eher als Gefäß der Erinnerungen auffassbar.
Samskara ist in der indischen Philosophie für die Unsterblichkeit der Seele zuständig ist und zwar so, dass das „Archiv der Erinnerungen“ durch den samsara permanent am Leben gehalten wird: Samsara ist die „allerhaltende Kraft“, die allerhaltende Liebe Vishnus.
Im Samskara, das auch als genetisches Archiv gesehen werden kann, setzen die Spuren der Vergangenheit ab und werden dabei aufbewahrt.
Samsara hält diese genetischen am Leben indem es sie wiederholt bzw. wiederkehren lässt. Aber auch der Übungsweg des Yoga ist eine genetische Einschreibung im Sinne von Samskara.
Das Archiv ist aber kein passives System, sondern es sind die Neigungen unseres Handelns. Es sind die Prägungen, aus denen heraus wir handeln. Das yogische Handeln strebt nach einer Befreiung von diesen Stereotypen.
Wir nehmen die Gegenwart aus der Perspektive von Samskara, aus der Sedimentierung der Vergangenheitsarchive, wahr. Die Gegenwart kommuniziert sozusagen unterbewusst mit meinen Archiven und das was ich bewusst wahrnehme und sehe ist die gegenwärtige Situation, so wie ich sie aus meiner Vergangenheit her zeigt.
Diese lückenlose, stereotype Wahrnehmung soll im Yoga aufgebrochen werden. Sonst wären wir in einem Teufelskreis der Wiederholung der Wiederholung gefangen und würden durch die stereotype Lebensweise jegliche Lebendigkeit verlieren.
Im Leben geht es darum, diesen Zusammenhang zwischen Gegenwart und
Vergangenheit aufzuschließen, um in Freiheit (kaivalya) zu kommen und nicht im„Kurzschluss“ zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu leben. Aus diesem Kurzschluss ergibt sich die Verengung, duḥkha.
Unsere genetischen Archive wären aber endlich wenn es nicht Samsara, den Kreislauf der Zeit, gäbe, die diese Archive ständig wiederholt bzw. regeneriert. Durch die Verbindung von Samskara und Samsara ergibt sich etwas personale Unsterblichkeit.
Die Regeneration der Archive lässt sie auch bei jedem neuen Leben von neuem mit neuen Eindrücken befüllen.
Den Yoga-Sutren geht es im Großen und Ganzen darum die Archive umzuschreiben.
10. Vorlesung
Yoga kann angelehnt an den Aphorismus des Jochs eines Zugkarrens als Lenkung dieses Wagens in die richtige Richtung interpretiert werden.
David Gordon White – Yoga in Practise
Weit verbreitete und synonyme Verwendung des Wortes Yoga.
Vier Motive die nahezu in allen Yoga-Schulen und Interpretationen vorkommen:
Yoga as an analysis of perception and cognition.
Yoga as the raising and expansion of consciousness.
Yoga as the path to omniscience.
Yoga as a technique for entering into other bodies, generating multiple bodies and the attainment of other supernatural accomplishments.
1.) Yoga as an analysis of perception and cognition.
Die Frage nach Wahrnehmung und Kognition steht seit jeher mit dem Terminus Yoga in Verbindung.
Es gibt einen einzigen Grund der Entstehung dieser Lehren: Soteriologie, die Lehre von der Erlösung des Menschen. Von den Brahmanen wurde der Buddhismus deshalb kaum aufgenommen, weil er als einzigen Grund der Übungen die Erlösung anerkannte. Sie waren eine eher intellektuelle Schule des Yoga.
Was aber alle Yoga-Schulen eint ist, dass alle Erkenntnis dem Interesse der Loslösung vom duḥkha (Verengung) dient.
Daher sind sie keine Philosophie im westlichen Sinne, weil ihre Philosophie zwei Ziele hat:
Verringerung der Kleśa, die duḥkha erzeugen
Umschreibung des Samskara und die Unterbrechung ihrer Wiederholung (Samsara)
Nur die Erkenntnis hat die Kraft uns dauerhaft von diesen Wiederholungsstrukturen zu lösen, die Gnosis, die Befreiung durch Wissen. Ohne die Philosophie ist eine Loslösung von duḥkha nicht möglich.
Während westliche Theorien wie die Psychoanalyse versuchen die Probleme von der Vergangenheit her zu lösen, indem sie wieder an diesen Punkt zurückkehrt, versucht die indische Philosophie in einer Ausrichtung auf die Zukunft leer zu werden und die Archive jederzeit mit neuen Erfahrungseindrücken (vasanas) umzuschreiben.
Wie bereits erwähnt sind diese Archive lebendig und unterliegen ihrer eigenen Dynamik. Das Ziel des Yoga ist es die verschlossenen Archivprozesse zu durchbrechen und eine Öffnung des Gedächtnis für eine Neuverflechtung des Samskara zu erreichen um damit zu einer Auflösung der verengten, stereotypen Erinnerungsstrukturen zu kommen.
Die Kraft des Erkennens wird damit zur eigentlichen Kraft des Heilens, was zu einer viel stärkeren, als die westliche Auffassung von Gnosis führt.
Erkennen ist hier zu sehen wie ein Realisieren, zum einen als Verwirklichung, aber auch als Verstehen. Im Zustand des Sich-öffnens realisiere ich einen leibhaftigen Zustand, der zugleich ein Verstehen des Zustandes evoziert. Sein und Verstehen fallen zusammen (vgl. Meister Eckhart).
Das bedeutet wenn jemand die Unterscheidung zwischen Geist und Materie in sich versteht, realisiert er sie zugleich. Diese Doppeldeutigkeit zeichnet alle indischen Philosophien aus.
Der Geist wird in der indischen Philosophie als eine Art sechster Sinn gesehen und ist eben damit ein Teil des Körpers, derprakṛti. Nur ein nicht-intentionales Bewusstsein, was nach der indischen Auffassung nicht nur im Tiefschlaf sondern auch im Wachen erfahrbar ist, wäre nicht mehr an die materielle Welt gebunden.
Selbstreflexionim indischen Sinne bedeutet nicht die Reflexion durch eigene geistige Tätigkeit, sondern die Reflexion des puruṣa in mir<